ENERGIEPOLITIK
Von den drei Ecken des Energiepolitischen Zieldreiecks ist die Versorgungssicherheit genauso wichtig wie der Preis
Während der Preis ganz offensichtlich ein wichtiger Standortfaktor für Unternehmen ist, so ist jeder Preisvorteil nichts wert, wenn die Versorgungssicherheit nicht gewährleistet ist.
Gerade die energieintensive Industrie (wie z.B. Chemie, Papier, Glas) ist aufgrund der dort ablaufenden Prozesse aber auf eine sehr sichere Stromversorgung an 365 Tagen im Jahr an 24 Stunden am Tag und zwar unterbrechungsfrei (im Millisekundenbereich) angewiesen.
Die Industrie ist der Hauptverbraucher von Strom in Deutschland, nicht die Haushalte.
Die jährlich verbrauchten Strommengen in Deutschland zeigen: Bei der Gestaltung der Stromversorgung geht es mengenmäßig nicht zuvorderst um die Versorgung der Haushalte, sondern um die Industrie. Während die Haushalte nur einen Anteil am Gesamtstromverbrauch von rund 25 % haben, liegt die Industrie bei 45 % – Gewerbe, Handel, Dienstleistung, Bergbau und Verkehr machen die restlichen 30 % aus. Allein der Anteil der chemischen Industrie liegt mit 54 TWh beispielsweise bei ca. 10 % des deutschen Gesamtstromverbrauchs. Die rund 25 Chemieunternehmen im Bayerischen Chemiedreieck verbrauchen mit rund 5 TWh im Jahr ungefähr doppelt so viel wie die Einwohner der Stadt München.
Quelle: Destatis, AG Energiebilanz, VCI
Die Versorgungslücke in Bayern nach dem Atomausstieg ist enorm groß
Durch den Atomausstieg steigt die Lücke bei der gesicherten Leistung in Bayern bis 2023 auf ca. 5 Gigawatt und bei der Strommenge (Arbeit) auf ca. 40 Terrawattstunden. Die geplanten HGÜ-Leitungen für den innerdeutschen Stromtransport von Nord nach Süd werden bis dahin aller Voraussicht nach noch nicht fertiggestellt sein. Die bestehende Lücke muss also über den europäischen Energiemarkt geschlossen werden – es bleibt nur zu hoffen, dass die Versorgungssicherheit dann auch jederzeit gewährleistet sein wird. Wenngleich das „Prinzip Hoffnung“ keine gute Basis für Investitionsentscheidungen ist.
Der Kohleausstieg verschärft das Problem weiter
Der Atomausstieg ist noch vollständig umgesetzt und schon beschäftigt sich die Politik mit dem Kohleausstieg. Damit fällt potenziell eine weitere grundlastfähige Stromerzeugungstechnologie weg, allerdings ohne gute Idee, wie bei Dunkelflaute kostengünstig Strom für die Industrie bereitgestellt werden soll bzw. zu welchem Preis. Darüber wird interessanterweise nicht gesprochen. Es ist offensichtlich, dass neue Erzeugungskapazitäten (auf Gas-Basis?) benötigt werden – genauso klar ist aber, dass die Wirtschaftlichkeit dieser neuen Kraftwerke wegen des stark subventionierten EE-Stroms fraglich ist und sie deshalb – zumindest in absehbarer Zeit – nicht gebaut werden.
Netzausbau – also u.a. der Bau der unverzichtbaren HGÜ-Leitungen – ist der günstigste und einfachste Weg Versorgungssicherheit zu realisieren
Stromerzeugung und Stromverbrauch müssen in jeder Millisekunde ausgeglichen sein. Je größer ein Netz ist, das Angebot/Erzeugung und Nachfrage/Verbrauch zusammenbringen kann, desto effizienter ist es und desto weniger Erzeugungsleistung braucht man um den Bedarf zu decken. Deshalb ist Netzausbau, wenn er eine Lösung ist, immer die günstigste und meist die einfachste Lösung! Können Stromangebot und -nachfrage nicht in Einklang gebracht werden, führt dies zu teuren Ineffizienzen (Redispatch, Abschaltungen, etc.). Erfolgt kein Leitungsbau kommt es mittelfristig zur Teilung der Preiszone – ein katastrophales Szenario für Bayern, dessen Strompreis in einem unterversorgten Gebiet erheblich ansteigen würde.
Die Zeit nach 2022 (Atomausstieg) und vor der Fertigstellung der HGÜ-Leitungen wird kritisch
Bis 2022 sind alle Atomkraftwerke abgeschaltet. Bis dahin werden knapp 10 GW Erzeugungsleistung mit einer sehr guten Verfügbarkeit nicht mehr zur Verfügung stehen. Für Bayern beläuft sich die Lücke in der gesicherten Leistung dann auf etwa 5 GW – die Hälfte des deutschen Versorgungsproblems (gesicherte Leistung) liegt also in Bayern.
Gaskraftwerke sind keine Lösung – egal ob zentral oder dezentral
Technisch mag es möglich sein, den bayerischen Strombedarf mit Gaskraftwerken auch ohne neue Stromleitungen zu decken. Aufgrund des hohen Gaspreises und des Strommarktdesigns (Merit-Order) würden die Kosten aber weiter steigen. Da diese Kraftwerke nur wenige Zeit im Jahr laufen würden, gäbe es zudem keine Investoren. Anreizsysteme oder Subventionen dafür sind im geltenden Rechtsrahmen schwer (bzw. nicht!) umsetzbar (EU-Beihilferecht!). Zudem wäre eine Strommarktteilung dann wohl unumgänglich.
Dabei ist es auch egal, ob man von wenigen großen Gaskraftwerken (Strategie Seehofer/Aigner) oder vielen kleinen dezentralen Gaskraftwerken (Strategie Freie Wähler) ausgeht – mit dem Unterschied, dass bei vielen kleinen Kraftwerken die Kosten aufgrund schlechterer Wirkungsgrade noch höher wären und der Koordinierungsaufwand erheblich größer wäre.
Der Ausbau von KWK ist nur bei (Ganzjahres-)Wärmesenken sinnvoll – die sind aber alle genutzt!
Die Effizienz von Gaskraftwerken (Wirkungsgrad) lässt sich durch die Kopplung mit Wärmerzeugung, die sogenannte Kraft-Wärme-Kopplung (KWK), verbessern. Dort wo dies sinnvoll ist, erzeugen schon heute KWK-Anlagen Dampf und Strom (z.B. bei großen Industriestandorten). Diese Anlagen sind fast immer wärmegeführt. Der Bedarf an Dampf (Prozesswärme) legt die Leistung der Anlage fest. Strom wird entsprechend der Anlagenauslegung miterzeugt und meist in deutlich geringerer Menge als gebraucht wird, um die Gesamtenergieausbeute (Dampf und Strom) möglichst hoch zu halten. Nur wo also ganzjährige „Wärmesenken“ vorhanden sind, können hohe Wirkungsgrade erreicht werden – nur dann sind solche Kraftwerke auch sinnvoll und rentabel. Überall wo dies möglich ist, wird das KWK-Prinzip auch bereits genutzt.
Speicher sind derzeit auch keine Lösung
Die Speicherung von Energie aus Strom ist bislang leider nur begrenzt möglich – großtechnisch können bislang nur Pumpspeicherwerke eingesetzt werden. Das Speicherproblem kann damit aber nicht gelöst werden: Die gesamte Kapazität deutscher Pumpspeicher reicht (theoretisch/rechnerisch) bei Volllast für ca. 30 Minuten. Auf europäischer Ebene 24 Min. Für eine ausreichende Speicherung wäre mindestens die 700-fache Kapazität nötig (Versorgung für ca. 3-4 Wochen Dunkelflaute). Enorme Kosten für den Bau wären zu erwarten und umweltpolitisch (!) keinesfalls durchsetzbar. Im jetzigen Marktmodell würden sich Pumpspeicher übrigens auch gar nicht rentieren.
Auch andere derzeit verfügbare Stromspeichertechnologien können nicht helfen: Heutige Batterien sind das Ergebnis langer Entwicklung (>100 Jahre) – für die nötige Kapazität um eine mehrtägige Dunkelflaute in Deutschland zu überbrücken, wären dennoch ca. 200 Mio. t Li-Ionen Batterie nötig! Das entspricht etwa 200.000 voll beladenen Binnenschiffen; oder, bei einem Kilopreis von z.B. 10 EUR, etwa 2.000 Mrd, bei einem Kliopreis von 20 EUR etwa 4.000 Mrd EUR. Was das für den Preis der kWh bedeutet ist offensichtlich. Power-to-X ist großtechnisch noch nicht verwirklicht, sehr teuer und noch lange nicht massentauglich. Es besteht noch hoher Forschungs- und Entwicklungsbedarf, um die Kosten der Technik erheblich zu senken. Es bleibt zudem das grundsätzliche Problem bestehen: Eine Speicherung bringt erstens nie die ganze Energie wieder zurück. Und weil Anlagen (Speicher) und Betrieb mitfinanziert werden müssen, macht jede Speicherung den Strom (deutlich) teurer. Deshalb wird die Kaskade „Wasserstoff-Elektrolyse – ggf. Methanisierung – Rückverstromung“ – auch bei guten Wirkungsgraden – immer ineffizienter (teurer) bleiben, als der direkte Stromverbrauch!
Wir müssen vermutlich bald Atom- und Kohlestrom aus dem Ausland kaufen
Für die Zeit nach dem Atomausstieg bleibt also für Bayern nur die Möglichkeit Strom aus dem Ausland zu beziehen. Zum einen ist dies dann zu einem großen Teil vermutlich Atomstrom aus Frankreich und Tschechien oder Kohlestrom aus Polen. Den Technologiewechsel werden wir also faktisch kaum realisieren. Und wir müssen zusätzlich hoffen, dass die entsprechenden Erzeugungsleistungen auch für Bayern zur Verfügung stehen. Und – wir erwähnten es bereits – das Prinzip Hoffnung ist sicher keine gute Basis für Investitionsentscheidungen.
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