Gesundheitspolitik
Die Pharma- und Chemiebranche gehören schon immer zusammen
Die Pharmabranche ist seit jeher ein integraler Bestandteil der Chemiebranche. Oft wird deshalb (gleichbedeutend) von der chemisch-pharmazeutischen Industrie gesprochen. Viele bayerische Pharmaunternehmen sind Mitglied im VBCI, dem Arbeitgeberverband der chemisch-pharmazeutischen Industrie in Bayern. Über die Mitgliedschaft in BPI (Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V.) oder vfa (Verband forschender Arzneimittelhersteller e.V.) – beide Fachverbände im VCI – sind zudem viele Pharmaunternehmen auch Mitglied im VCI (Verband der Chemischen Industrie e.V.). Als Bayerische Chemieverbände vertreten wir daher sowohl über den Arbeitgeberverband (VBCI) als auch über den Wirtschaftsverband (VCI, Landesverband Bayern) die Pharmazeutische Industrie in Bayern. Über die beiden Fachverbände sind ca. 40 Pharmaunternehmen in den Bayerischen Chemieverbänden organisiert.
Bayern hat eine bedeutende Pharmaindustrie
In Bayern sind viele pharmazeutische Unternehmen in der amtlichen Statistik nicht unter „Pharma“ erfasst. Deshalb wird die Bedeutung der Branche in Bayern oft unterschätzt. Mit 4,4 Mrd. EUR Wertschöpfung und etwa 26.000 Erwerbstätigen macht die Pharmazeutische Industrie in Bayern aber nahezu 1% der Wertschöpfung und einen gewichtigen Teil der Arbeitnehmer aus. Denn es kommen noch ca. 25.000 Mitarbeiter der Apotheken hinzu und – wenn man die indirekten Effekte (Zulieferer, Dienstleiter) mitzählt – noch viele Tausend Arbeitsplätze, für die auch die Pharmabranche verantwortlich ist.
Auch als Innovationsmotor ist die Branche enorm wichtig. Die Pharmabranche in Bayern beschäftigt rund 1.600 Mitarbeiter in Forschung und Entwicklung, hinzukommen weiter ca. 1.000 in Forschungseinrichtungen. Die Erfolge – wir sagen dazu „medizinischer Fortschritt“ – können sich sehen lassen. Nur um ein paar Beispiele zu nennen: Seit ein paar Jahren ist Hepatitis C vollständig heilbar. Davor waren Leberschäden vorprogrammiert, es wurden viele Medikamente über einen langen Zeitraum benötigt, manchmal waren Lebertransplantationen nötig und manchmal half auch das nicht mehr. Heute ist HepC kein Problem mehr und auch alle Folge(behandlungs)kosten fallen einfach weg – gut für die Krankenkassen.
Auch bestimmte Krebsarten sind heute gut behandelbar – hir gab es enorme Fortschritte. Und die Zeichen stehen gut, dass Krebs vielleicht irgendwann ganz besiegt werden kann….
Der Pharmamarkt ist stark reguliert
Die Pharmabranche ist wie kaum eine andere von Regulierungen und Gesetzen betroffen. Grund ist einerseits, dass bei Produkten, die so nah an der Gesundheit des Menschen wirken, selbstverständlich ein hohes Maß an Qualität und Sicherheit – auch staatlicherseits – sichergestellt werden muss. Dies bedeutet hohe Hürden und hohen Aufwand (Kosten) bei Forschung, Entwicklung, Zulassung, Vertrieb, Logistik, Information, Dokumentation und Überwachung.
Für die Produktion, die Zulassung von Anlagen, für Umweltschutzthemen und ähnliche Fragen kommen alle Vorgaben hinzu, die andere Chemiefirmen auch haben. In der Pharmaindustrie sind die Vorgaben aber vielfach deutlich strenger.
Was viele aber nicht wissen ist, dass auch der Markt der Arzneimittel sehr stark reguliert ist. So gibt es sogenannte Zwangsrabatte, die Pharmaunternehmen gesetzlich gewähren müssen oder ein Preismoratorium, dass es Unternehmen seit 2010 verbietet die Preise zu erhöhen. Für neue Arzneimittel werden erst jeweils der Zusatznutzen bewertet und in Anlehnung an andere Therapien Preise ausgehandelt. Es gibt mittlerweile sogar Ideen, die den Ärzten Therapieoptionen nehmen sollen, weil damit vermeintlich die Kosten im Gesundheitssystem gesenkt werden. Und, und, und. Die Preise für Arzneimittel sind stark gelenkt und reguliert.
Warum wird so viel um diese Regulierungen und Gesetze gestritten? Warum sind die Positionen von Krankenkassen und Pharmaindustrie oft so weit auseinander?
Aus Sicht der Kassen sind Arzneimittel Kosten. Krankenkassen haben betriebswirtschaftlich gedacht – zumindest kurzfristig – kein Interesse an zusätzlichen Kosten, also auch nicht an neuen Arzneimitteln oder Behandlungsmethoden; schon gar nicht an teureren als den existierenden.
Der Finanzierbarkeit des Gesundheitssystems ist das (scheinbar) dienlich, denn die Kosten der Kassen müssen durch die Beiträge aller Versicherten gedeckt werden – eine Solidargemeinschaft! Gesetzliche Krankenkassen können untereinander nicht wirklich über bessere oder umfassendere Leistungen in Wettbewerb treten, weil die Regelleistungen (das, was Kassen erstatten müssen) für alle gleich definiert sind.
Die meisten Versicherten sind gesund. Und weil es im Grund keine „Leistungsunterschiede“ bei den gesetzlichen Krankenkassen gibt, ist aus Sicht eines Versicherten fast ausschließlich der monatliche Beitrag für die Kassenwahl relevant. Das erzeugt hohen Kostendruck bei den Versicherungen.
Sobald ein Versicherter zum Patient wird, möchte er natürlich die bestmögliche Versorgung. Unser deutsches Gesundheitssystem hat die Leitlinie, dass existierende Therapien/Arzneimittel allen gleichermaßen zugänglich sein sollen. Das ist sozial gerecht. Deshalb sind gesetzliche Krankenkassen verpflichtet, jede Behandlung (Regelleistung) zu bezahlen, wenn ein Arzt die Behandlung für sinnvoll hält. Weder Patienten noch Ärzte haben finanzielle Anreize diese Kosten zu dämpfen. (Das stimmt nicht ganz: Für Ärzte gibt es gewisse Mechanismen – aber auch die haben ihre Tücken.)
Die Pharmaindustrie möchte die Patienten mit Medikamenten versorgen und dabei natürlich Geld verdienen. Die Pharmafirmen untereinander stehen (international) im Wettbewerb – allerdings nicht bei den Arzneimitteln, die patentgeschützt bei einer Indikation einsetzbar sind, bei der es keine Therapiealterativen gibt. Das ist zwar insgesamt kein besonders großes Volumen in den Gesundheitskosten, aber hier ist eine Marktpreisbildung tatsächlich schwer (quasi Monopol) und entsprechend schwierig sind die Debatten.
In allen anderen Fällen, wo es für eine Indikation Wettbewerb gibt, z.B. bei patentfreien Medikamenten oder bei Indikationen, wo es mehrere Therapien auf dem Markt gibt, kann/könnte sich im Wettbewerb ein fairer Preis bilden. Das ist der Hauptteil aller Medikamente. Aber auch hier gibt es viele Regulierungen.
Viele Diskussionen um patentgeschützte Medikamente
Aus Sicht der Kassen sind also die patentgeschützten Medikamente oft ein Kostenproblem: Sie nicht zu erstatten, verbietet das Gesetz, aber zu hohe Preise könnten – so die Sicht der Kassen – die Finanzierbarkeit des Gesundheitssystems gefährden. Auch als Arbeitgeberverband fordern wir eine Obergrenze der Sozialabgaben!
Dieses „Dilemma“ ist aber seit der Einführung des AMNOG (Ein Gesetz, das auch die Preisfindung dieser Medikamente regelt) eigentlich gelöst. Seit 2011 müssen alle neuen Medikamente ihren Zusatznutzen gegenüber einer zweckmäßigen Vergleichstherapie (ZVT) belegen. Die Erstattungsbeträge (also die Preise, die von den Kassen erstattet werden müssen) werden im Anschluss daran immer mit Blick auf die Vergleichstherapie verhandelt.
Nur ein „Problem“ ist geblieben:
Neue Medikamente müssen ihre eigenen Entwicklungskosten natürlich verdienen. Entwicklungskosten liegen zwischen 1 und 2 Mrd. EUR je Wirkstoff/Medikament. Entwicklung von Medikamenten ist also aus Sicht der Unternehmen sehr teuer und damit sehr riskant. Nicht selten müssen Entwicklungen eingestellt werden – und die Kosten bleiben. Deshalb können neue Medikamente nur auf den Markt gebracht werden bzw. sie werden auch nur dann überhaupt entwickelt, wenn sie nach Markteinführung einen ausreichenden Preis haben und über den Verwendungszeitraum nicht nur Produktionskosten, sondern auch Forschungs-, Entwicklungs- und Zulassungskosten sowie einen Gewinn erwirtschaften. Generika, also Präparate ohne Patentschutz haben diese Phase meist schon hinter sich und deren Preise müssen nur noch die Kosten Produktion, Vertrieb und Überwachung sowie eine Marge erwirtschaften.
Wie also ist es zu bewerten, wenn man eine Krankheit mit einem Generikum (günstig) behandeln kann und es eine Therapiealternative gibt, die besser, aber auch viel teurer ist?
Wir sind der Meinung, medizinischer Fortschritt und medizinische Forschung sind nötig, sozial, nachhaltig, verantwortungsvoll und in jedem Fall geboten. Gesundheit ist das wichtigste für jeden einzelnen von uns. Und auch für Gesellschaft und Wirtschaft. Nur wer gesund und leistungsfähig ist, kann sich für Familie und Freunde einsetzen, kann in seinem Beruf seinen Beitrag leisten und kann auch der Gesellschaft einen Dienst erweisen.
Der Arzt sollte trotz höherer Kosten das bessere Medikament verschreiben dürfen.
Unter den 30.000 bekannten Krankheiten sind nur 10.000 behandelbar und auch bei den schon behandelbaren Krankheiten sind Verbesserungen möglich und im Interesse der Patienten wünschenswert.
Während der Patentlaufzeit müssen die Forschungs- und Entwicklungskosten erwirtschaftet werden. Damit müssen neue, innovative Medikamente zwangsläufig teurer sein als die schon länger im Markt befindlichen Alternativen – selbst wenn der jeweilige medizinische Fortschritt vielleicht nur ein kleiner ist.
Therapieoptionen für Ärzte dürfen nicht eingeschränkt werden, die Finanzierbarkeit von innovativen Arzneimitteln muss gewährleistet sein
Wir sind der Meinung, das System der Solidargemeinschaft erlaubt uns, medizinischen Fortschritt so mitzufinanzieren. Es sollte verhindert werden, dass Therapieoptionen deutschen Patienten nicht zur Verfügung stehen, weil die Rahmenbedingungen für die Pharmaindustrie bei uns nicht gut genug sind.
Neben diesem Kernthema der Finanzierbarkeit von Innovationen beschäftigen uns viele weitere Fragen rund um die pharmazeutische Industrie.
Die chemische-pharmazeutische Industrie in Deutschland war früher weltweit führend, Deutschland war die Apotheke der Welt. Wir sind noch immer an einer Spitzenposition. Das soll unserer Meinung nach auch so bleiben.
Gerade die Pharmaindustrie trägt zu unserem Wohlstand deutlich bei – über ihre Produkte, aber auch über die Wertschöpfung und Arbeitsplätze.
Viele weiterführende Informationen erhalten Sie auf den Seiten der Fachverbände im VCI:
oder über die unabhängige Plattform Pharma-Fakten
In Bayern gibt es die Pharmainitiative Bayern, die sich zum Ziel gesetzt auch die volkswirtschaftliche Bedeutung der Pharmaindustrie in Bayern stärker hervorzuheben: Gesundheitspolitik ist immer auch Wirtschaftspolitik.