Kein Wasser im Schwimmbecken – aber wir springen trotzdem!?
8. Juli 2021Jahresbericht 2020/2021
21. Juli 2021Fluorchemie-Verbote: Last Call und neue Runde
Betroffene Branchen und Unternehmen sollten Konsultationsmöglichkeiten nutzen!
Wie bereits mehrfach berichtet, plant die EU-Kommission den Einsatz von sog. „PFAS“ (per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen) umfassend zu regulieren (mehr hier, hier und hier). Diese Verbindungen sollen in ihrem Gebrauch eingeschränkt und nach Möglichkeit völlig substituiert werden. Hintergrund ist, dass PFAS vermehrt in der Umwelt auftreten und die EU die Gefahr sieht, dass diese Verbindungen Umwelt und Gesundheit von Mensch und Tier schädigen können .
Eine solche pauschale Annahme ist jedoch nicht gerechtfertigt. Denn PFAS beschreibt eine Stoffgruppe, die über 4.700 verschiedene Chemikalien umfasst, wozu auch z.B. Fluorpolymere (wie Polytetrafluorethylen PTFE) oder aber auch fluorierte Polymere zählen. Diese Werkstoffe sind für eine Vielzahl an High-Tech-Anwendungen (wie z.B. für Schutzausrüstung, bei Membrantechnologien oder in Medizinprodukten) nicht zu ersetzen (mehr Beispiele für wichtige Anwendungsfelder sind hier für Fluorpolymere und hier für fluorierte Polymere zu finden). Viele Wertschöpfungsketten sind auf solche Materialen dringend angewiesen.
Umso wichtiger ist es, dass bei den vorgesehenen Anwendungsverboten für PFAS (REACH-Restriktionen) mit Augenmaß vorgegangen wird und Entscheidung auf Basis von möglichst umfassendem Verständnis für die Anwendungsfelder und deren gesellschaftlichen Nutzen getroffen werden – kurzum: es braucht gute und umfassende Folgenabschätzungen.
In diesem Kontext sind derzeit ganz konkret zwei wichtige REACH-Beschränkungsverfahren mit aktuellem Kommentierungsmöglichkeiten zu beachten:
- REACH-Beschränkungsverfahren für „Undecafluorohexanoic acid (PFHxA), its salts and related substances“
Dieses Beschränkungsdossier betrifft die Herstellung, Verwendung und Vermarktung von C6-Fluorchemie-PFAS als Stoffe, in Formulierungen und in Erzeugnissen und gilt daher u.a. auch für fluorierte „C6-Polymere“, da hier durch Abbau-/Diffussionsprozesse niedermolekulare PFCs in geringem Maße freigesetzt werden können. Auch Fluorpolymere können durch Spurenverunreinigungen mit betroffen sein. Der Beschränkungsprozess befindet sich bereits in einem weit fortgeschrittenen Stadium – mittlerweile hat der ECHA-Ausschuss für Sozioökonomische Analyse (SEAC) den Entwurf seiner Stellungnahme bis zum 7. September 2021 zur Konsultation gestellt. Betroffene Unternehmen und Branchen sollten die Gelegenheit nutzen, sich nochmals in den Prozess einzubringen. Der Verband der Bayerischen Textil- und Bekleidungsindustrie hat den Verfahrensstand und die Auswirkungen in einem Rundschreiben zusammengefasst – und appelliert eindringlich an eine Teilnahme von betroffenen Unternehmen an der Konsultation. - REACH-Restriktion von sämtlichen PFAS
Die für REACH zuständigen Behörden Deutschlands, der Niederlande, Dänemarks, Schwedens und Norwegens, bereiten derzeit eine REACH-Beschränkung für die Herstellung, das Inverkehrbringen und die Verwendung aller Per- und Polyfluoralkylverbindungen (PFAS) in der EU vor. Hier steht das regulatorische Verfahren noch ganz zu Beginn – es wurde am 15.07.2021 offiziell die „Intention“ für das Beschränkungsvorhaben bei der europäischen Chemikalienagentur ECHA hinterlegt. Der Entwurf für das Beschränkungsdossier soll bis 15.07.2022 eingereicht werden.
In diesem Kontext führen die zuständigen Behörden eine weitere Stakeholder-Befragung durch, um zusätzliche Informationen zu Verwendung, Emissionen, Alternativen, nötigen Ausnahmen und Kosten für den Ersatz von PFAS einzuholen. So bittet die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) bis 19. September 2021 um Einreichung von entsprechenden Daten und Nachweisen (Direktlink zum Fragebogen).
Diese Konsultation ist eine wichtige Gelegenheit für betroffene Unternehmen und Industriezweige, um sicherzustellen, dass die fünf zuständigen Behörden einen vollständigen Überblick über den Bedarf z.B. an Fluorpolymeren und die Auswirkungen einer Beschränkung auf Industrie und Wirtschaft haben.
Bildquelle: pixabay_surgery-688380