Bündnis „Zukunft der Industrie“
15. April 2015Branchendialog Chemie: Gemeinsam den Standort stärken
22. April 2015Stärkung der Industrie ist nötiger denn je! Chemieverbände fordern Politik für die Wirtschaft
München, 14.04.2014 – In der diesjährigen Gremiensitzung der Bayerischen Chemieverbände diskutierten die Vertreter der Mitgliedsfirmen vor allem über aktuelle wirtschaftliche Entwicklungen und den Tarifabschluss. Dabei forderte der Vorstandsvorsitzende, Dr. Günter von Au, man müsse stärker vermitteln, „[…]was es für unsere Industrie und unseren Wohlstand bedeutet, wenn Deutschland keine Wirtschaftspolitik betreibt.“
Gastreferentin war Frau Dr. Angelika Niebler, Mitglied des Europäischen Parlaments und Vorsitzende der CSU-Europagruppe, zum Thema: „Europas Wirtschaft stärken: Herausforderungen für die Europäische Kommission und das Europäische Parlament.“
In seinem Vortrag zur wirtschaftlichen Lage, zeichnete Dr. von Au ein Bild von einer derzeit noch akzeptablen Konjunktur, aber gleichzeitig einer großen Gefahr der Deindustrialisierung und Abwanderung, also dem Gegenteil der von der EU und vom Bund angestrebten Stärkung der industriellen Wirtschaft. Das akzeptable Wachstum verdanke die deutsche chemische Industrie u.a. dem aktuell niedrigen Ölpreis und der gestiegenen Wettbewerbsfähigkeit, aufgrund des momentan schwachen Euros. Beide Effekte können so schnell wieder verschwinden, wie sie gekommen sind. Und trotz dieser positiven Effekte konnte nur ein moderates Wachstum verzeichnet werden. Dies wird sich 2015 auch nicht wesentlich bessern, so lange die Wirtschafts- und Finanzkrise weiter andauert und die Zurückhaltung im Markt, u.a. wegen des Ukrainekonflikts, weiter zu Auftragsrückgängen führt. Auch die schleichende Deindustrialisierung setzt sich weiter fort. So überstiegen erstmals seit einem Jahrzehnt die Investitionen im Ausland die im Inland. „Dies ist auch nicht weiter verwunderlich“, so Dr. von Au, „man muss sich nur mal die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland betrachten. Allein die Irrungen der Energiewende und die damit fehlende Planungssicherheit für Investitionen können den Industriestandort über Jahrzehnte gefährden. Und am Beispiel ‘Fracking‘ sieht man, wie wenig sachlich Diskussionen in der deutschen Bevölkerung und Politik geführt werden. Oft sind politische ‘Bauchentscheidungen‘ die Folge.“ Das Vertrauen in das Verantwortungsbewusstsein der Unternehmen scheint dagegen mehr und mehr zu schwinden. Immer schneller ertönt der Ruf nach mehr Staat und gesetzlichen Regelungen. Die Ankündigung der Großen Koalition, etwas zur Stärkung der Industrie zu tun, ist bis dato ein reines Lippenbekenntnis. „Die Bevölkerung und die Politik haben anscheinend immer noch nicht erkannt, wie wichtig die gesamte Industrie für unseren Wohlstand ist, insbesondere die chemische Industrie mit ihren Wertschöpfungsketten, die in alle anderen Industrien hineinreichen. Wir müssen besser vermitteln, was es heißt, echte Wirtschaftspolitik zu betreiben, denn wir sägen an dem wirtschaftlichen Ast, auf dem wir alle sitzen.“
Bei dieser unsteten und schwierigen wirtschaftlichen Lage sei der diesjährige Chemie-Abschluss nicht nur ein vertretbarer Kompromiss, sondern auch ein wichtiges Signal der Tarifvertragsparteien, so der Hauptgeschäftsführer der Bayerischen Chemieverbände, Walter Vogg, denn er biete beiden Seiten gute Gründe, zufrieden zu sein. Wichtig ist, dass mit dem Tarifabschluss in außergewöhnlich schwierigen und harten Verhandlungen der Trend gebrochen wurde, sich immer mehr von den wirtschaftlichen Fakten abzukoppeln. Er ist damit ein Beitrag, Wettbewerbsfähigkeit und damit auch Arbeitsplätze in Deutschland zu sichern.
Als Ergebnis bleibt für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Betrieben mit 2,8 % mehr Lohn – bei einer „Null-Komma-Inflation“ trotzdem ein sattes Reallohnplus. 40 Euro mehr für die Azubis sind zudem gut für den dringend benötigten Fachkräftenachwuchs.
Und die Chemieunternehmen können auch angesichts der „Vorlage“ durch den Metall-Abschluss, der bereits medial zum Maßstab für die folgenden Tarifrunden ausgerufen wurde, und der bis heute bei den Metallern für Diskussionen sorgt, ebenfalls zufrieden sein. Vor allem die Kombination aus Prozentzahl, Laufzeit, Leermonat und zusätzlicher Flexibilität für Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten, bietet den nötigen Spielraum und Planungssicherheit für die Unternehmen.
Ein zukunftsweisender Kompromiss liegt zudem in den Regelungen zum Demografiefonds. Denn das Geld im „Demo-Topf“ bleibt im Unternehmen und steht für die verschiedenen Instrumente zur Gestaltung des demografischen Wandels zur Verfügung. Und auch hiervon profitieren wiederum beide Seiten, so Walter Vogg.
Es folgten die Berichte aus den Arbeitskreisen Forschung, Kommunikation, Umwelt und Energie durch die Vorsitzenden Claus Haberda, Dr. Dieter Gilles sowie Dr. Ralph Ottlinger.
Als Gastrednerin der Veranstaltung sprach Frau Dr. Angelika Niebler, Mitglied des Europäischen Parlaments und Vorsitzende der CSU-Europagruppe. Sie bat in ihrem Vortrag „Europas Wirtschaft stärken: Herausforderungen für die Europäische Kommission und das Europäische Parlament.“ um Verständnis für manchmal langwierige Prozesse der EU-Politik. In der momentan schwierigen Mehrheitslage im EU-Parlament, mit einem Drittel Antieuropäern und vielen Splitterparteien, sei langfristige Industriepolitik sehr schwierig geworden. Nur mit einer Politik der kleinen Schritte und der Kompromisse können überhaupt noch Ziele erreicht werden. Sie warb für einen Schulterschluss zwischen Industrie und Politik und um Unterstützung bei der Erklärung wirtschaftlicher Zusammenhänge. Themen wie Energiewende und TTIP seien nur gemeinsam zu meistern.
Am 8. Juli 2015 findet in München die Mitgliederversammlung der Bayerischen Chemieverbände statt.