„Weiter so wie bisher ist keine Option“, sagte Janna Kuhlmann vom Bund Umwelt und Naturschutz in Berlin mit Verweis auf den gesundheitlichen Aspekt im Zusammenhang der PFAS. Sie zitierte eine Studie, wonach immer häufiger hohe Konzentrationen von PFAS im Blut vieler Menschen nachweisbar seien und bei jedem fünften Kind Gesundheitsprobleme aufträten. Dies könne in der EU hohe Gesundheitskosten führen. Kuhlmann forderte daher eine Überarbeitung der REACH-Verordnung, die zur Verbesserung des Schutzes der menschlichen Gesundheit und der Umwelt vor durch Chemikalien entstehenden Risiken und der gleichzeitigen Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit der chemischen Industrie der EU erlassen wurde. Mit einer zielgerichteten Überarbeitung habe die Chemieindustrie nun die Chance, Vorreiter in einer nachhaltigen Industrie zu werden, so Kuhlmann.
Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass das vorgeschlagene pauschale PFAS-Verbot auch die von Schlipf genannte Gruppe von 38 Fluorpolymeren beinhaltet, die den Kriterien einer OECD-Klassifizierung für sichere Werkstoffe (PLC, Polymer of low concern) genügen. Diese inerten, ungiftigen und nicht bioakkumulierbaren Stoffe mit einzigartigen Funktionalitäten, die sie unter anderem für die Transformation zur Klimaneutralität unverzichtbar machen.
Sonja Jost, Geschäftsführerin des Start-Ups für Grüne Chemie DexLeChem, sah das Problem nicht im PFAS-Beschränkungsvorschlag selbst sondern in dessen Auslegung. Eine pragmatische und technisch sowie ökonomisch sinnvolle Auslegung sei notwendig. Sie verwies zudem auf die Chance, eine neue Industrie aufzubauen. „Nachhaltigkeit lässt sich nicht aufhalten“, so Jost und verwies auf die USA, wo Republikaner und Demokraten in seltener Einmütigkeit ein umweltrelevantes Gesetz zu nachhaltiger Chemie verabschiedet haben. Schlüssel für diesen Schulterschluss sei die Darlegung der nachhaltigen Chemie und der Transformation von Materialien für die Wettbewerbsfähigkeit vieler Industrien und Konsumentensegmente in diesem Gesetz. Man müsse über die Förderung innovativer Produkte sprechen, die nicht mehr mit der betroffenen Stoffgruppe arbeiteten. Mit Investitionen in Chemie-Startups von nur etwa 0,3% des gesamten Venture Capitals in Deutschland in 2018 (Studie im Auftrag des VCI: Innovationsindikatoren Chemie 2019), sei Deutschland kein innovatives Land und könne ohne entsprechende Förderung innovativer Alternativen auf Dauer auch nicht mehr wettbewerbsfähig sein.
Um die Verwendung von PFAS komme man nicht herum, erklärte dagegen Jonas Lang, Gewerkschaftssekretär ICBCE Bayern und rief zu einer sachlichen Debatte auf. Ziel müsse es sein, die Chemieindustrie in Deutschland zu erhalten und einer De-industrialisierung entgegenzuwirken. Lang mahnte einen Industriestrompreis von vier Cent pro Kilowattstunde an und forderte mehr Planungssicherheit für die Unternehmen.