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Das Thema “PFAS-Regulierung” ist wichtig – sowohl aus umweltpolitischer aber auch aus industriepolitischer Perspektive. Daher ist es gut, wenn das Thema wieder stärker in den Fokus der Öffentlichkeit rückt. Hysterie, Agitation und „Gut-gegen-Böse“-Narrative helfen uns hier aber nicht weiter. Vielmehr braucht es mehr Sachlichkeit, um zu guten Lösungen für den Umwelt- und Gesundheitsschutz und für unsere moderne Hochtechnologie-Gesellschaft zu kommen.
Eine Regulierung für PFAS ist geboten!
Klar ist: Es braucht eine Regulierung für PFAS – dagegen hat sich die Industrie auch nie ausgesprochen. Im Übrigen gibt es bereits Verbote für einzelne besonderes relevante Vertreter, wie u.a. PFOS, PFOA, die die wesentlichen Altlastenfälle ausmachen. Auch sollten disperse Anwendungen nicht-polymerer PFAS im konsumentennahen Bereich wie z.B. Skiwachse beendet werden. Ebenso braucht es bei dispersen Anwendungen im technischen Bereich wie z.B. bei Feuerlöschschäumen dringend Regelungen, wie dies bereits auf EU-Ebene angegangen wird. Es ist also zurecht schon viel passiert – und weitere Maßnahmen sind auf dem Weg!
Klar ist aber auch, dass PFAS eben bei weitem keine einheitliche Stoffgruppe sind. Kleine Moleküle haben völlig andere Eigenschaften als hochmolekulare Werkstoffe. Man kann z.B. Skiwachse oder Löschschäume nicht mit einer Brennstoffzellmembran vergleichen. Die Risikoprofile (Gefahrenpotenzial x Expositionswahrscheinlichkeit) und Umweltrelevanz einzelner PFAS-Subgruppen sind völlig unterschiedlich! Deshalb passt hier kein „one-size-fits-all“-Ansatz. Wir brauchen eine Differenzierung. Insbesondere für Fluorpolymere braucht es andere Regulierungsansätze als für kurzkettige PFAS, Löschschäume oder F-Gase . Denn Fluorpolymere sind Werkstoffe, die in vielen industriellen Wertschöpfungsketten und sicherheitsrelevanten wie auch nachhaltigen Technologien eine wichtige Rolle spielen – und sicher und nachhaltig gehandhabt werden können.
Polymers of Low Concern (PLC) / Arbeiten innerhalb der OECD
In der aktuellen Berichterstattung über die Beschränkung von PFAS wird kritisch auf die Argumentation mit den OECD-Kriterien zu „Polymers of low concern“ (PLC) verwiesen. Diese Kriterien bzw. ihre Anwendung wurden von Interessenvertretern der Industrie im Zusammenhang mit der vorgeschlagenen universellen Beschränkung von PFAS für die Untergruppe der Fluorpolymere aufgeworfen. Die OECD informiert auf ihrer Webseite über die Bemühungen hinsichtlich „Polymers of low concern“.
Die OECD führt keine Liste von „Polymers of Low Concern“ (PLC). Die OECD nimmt auch keine Gefahrenbewertung einzelner Polymere vor. Vielmehr trafen sich OECD-Expertengruppen für Polymere seit den 1990er Jahren mehrmals zu den Polymereigenschaften, die eine geringe Gefährdung erwarten lassen. Ihre Arbeit konzentrierte sich auf das Polymer, nicht auf die Herstellung oder Entsorgung des Polymers. In einem OECD-Dokument von Mai 2023 wird die Arbeit dieser Expertengruppen zu PLC-Kriterien zusammengefasst und u.a. beschrieben, dass die Arbeit der OECD-Experten an der Definition der Kriterien für eine geringe Gefährdung anschließend von Regulierungsbehörden in verschiedenen Staaten weltweit in deren Ansatz zur Regulierung von Polymeren angewendet wurden. Darüber hinaus wurden in den von der Europäischen Kommission in Auftrag gegebenen Berichten (2012, 2015, 2020) zur Untersuchung einer möglichen REACH-Registrierung von Polymeren diese PLC-Kriterien geprüft. Der Bericht von 2020 kam zu dem Schluss, dass die Kriterien für PLC bereits gut etabliert sind, und verwies auf den Bericht der OECD-Expertengruppe für Polymere aus dem Jahr 2009. Es ist daher nachvollziehbar, dass die Fluorpolymerindustrie die Arbeit der OECD-Expertengruppe für Polymere und der Regulierungsbehörden übertragen und diese PLC-Kriterien auf Fluorpolymer-Eigenschaften angewandt hat. Die Arbeit der OECD-Expertengruppen für Polymere hat zu einem besseren Verständnis der Gefahrenbewertung von Polymeren beigetragen. Aber auch spätere Veröffentlichungen (z.B. ECETOC Conceptual Framework for Polymers (TR 133-1, 2, 3)) unterstützen das Konzept, dass es polymere Eigenschaften gibt, die für eine geringe Gefährdung sprechen. Die veröffentlichten Daten für Fluorpolymere erfüllen durchweg diese Polymereigenschaften, die eine geringe Gefährdung erwarten lassen.
Es ist richtig, dass die OECD Fluorpolymere nicht als „low concern“ bewertet hat. Hier ist eine klare Kommunikation wichtig – dieser Eindruck sollte nicht entstehen! Es wurde aber zurecht darauf hingewiesen, dass Fluorpolymere die von den OECD Expertengruppen identifizierten Kriterien als „PLC“ erfüllen (weitere Informationen dazu hier, hier oder hier). Ein Befund, der für die Gefährdungsbeurteilung dieser PFAS-Subgruppe berücksichtigt werden sollte. Das betrifft allerdings ausdrücklich nur die Nutzungsphase. Die Herstellung und Entsorgung von Fluorpolymeren wurden nicht in den Studien fokussiert.
Über diese Detaildiskussionen hinaus besteht in der Fachwelt ein breiter Konsens darüber, dass Fluorpolymere sicher eingesetzt werden können. Fluorpolymere spielen eine äußerst wichtige Rolle als kritische Materialien in zahlreichen industriellen Anwendungen und im High-Tech-Sektor, die in der modernen Gesellschaft unverzichtbar sind (z. B. Dichtungen / Beschichtungen in industriellen Produktionsanlagen, Luft- und Raumfahrt und Verteidigung, Automobilindustrie, Halbleiter, Medizintechnik). Die Eigenschaften der Fluorpolymere, die sie in der Anwendung risikoarm machen, erfüllen auch die komplexen Anforderungen, regulatorischen Spezifika und Leistungsanforderungen dieser anspruchsvollen Anwendungen.
Es bleibt dabei: Differenzierung statt Pauschalierung – Innovationspotentiale nutzen
Aufgrund der Relevanz von Fluorpolymeren und deren deutlich abweichendem Risikoprofil zu anderen PFAS-Subgruppen setzt sich die Industrie insgesamt für eine differenzierte PFAS-Regulierung ein. Das bedeutet nicht, dass Fluorpolymere grundsätzlich keiner Regulierung unterfallen sollen – es sollten dabei aber dezidiert die mit Fluorpolymeren verbundenen Risiken adressiert werden. Dabei kann und soll auch diskutiert werden, ob bestimmte Anwendungen im konsumentennahen Bereich (Bratpfanne und Co.) weiterhin nötig sind – insbesondere dort, wo es auch gute Alternativen gibt. Der regulatorische Fokus sollte sich jedoch vor allem auf die Phasen der Produktion (und dabei die Vermeidung von Restemissionen niedermolekularer PFAS) sowie Fragen der Entsorgung richten (Wie und unter welchen Bedingungen ist eine sichere Verwertung möglich? Welche Optionen für Recycling gibt es?). Statt eines pauschalen Verwendungsverbotes für sicher handhabbare Werkstoffe sollten diese Fragen im Fokus stehen. Durch entsprechende regulatorische Vorgaben und Innovationen (Emissionsminderungsprogramme und -vorgaben, Prozessinnovationen wie fluorfreie Polymerisationshilfsmittel oder Polymerisationsverfahren ganz ohne Emulgatoren, geschlossene Wasserkreisläufe, mechanische und chemische Recyclingverfahren, spezielle Entsorgungswege) haben wir die Chance, die Fluorpolymerproduktion maximal umweltfreundlich weiterzuentwickeln. Die Alternative ist, dass sich die Herstellung solcher Werkstoffe in Regionen außerhalb der EU mit zumeist niedrigeren Umweltstandards verlagert. Da diese Werkstoffe in vielen Hochtechnologieanwendungen dringend gebraucht werden, schafft dies dann weitere, extrem kritische Abhängigkeiten, leistet dem Umweltschutz womöglich einen Bärendienst und schadet dem Hochtechnologiestandort Deutschland.
Unser Anspruch muss eine Versachlichung und informierte Entscheidungen sein
Eine Versachlichung bei der PFAS-Regulierung ist also wichtig, um zu guten Lösungen für den Umwelt- und Gesundheitsschutz aber auch für die Bedarfe unserer modernen Hochtechnologie-Gesellschaft zu kommen.
Dass sich in einem so zentralen REACH-Beschränkungsverfahren zum weitreichenden Verbot von PFAS übrigens sehr viele Unternehmen und Verbände äußern, um Betroffenheit, Relevanz, zusätzliche Daten und Hinweise einzubringen, ist ein üblicher und durchaus gewünschter Prozess. Genau darum geht es ja im Rahmen von Konsultationen und Anhörungen. Auch der Austausch mit Politik und Verwaltung sowie Briefe sind keine ungewöhnlichen Vorgänge bei so relevanten Fragen und auch keineswegs Teil einer „geheimen Lobbystrategie“. Solche Aktivitäten machen – nebenbei bemerkt – auch Umwelt-NGOs. Am Ende geht es doch darum, dass informierte Entscheidungen in einer sehr wichtigen umwelt- und industriepolitischen Frage getroffen werden können. Das sollte unser aller Anspruch sein.
Bildquellen: iStock-2145498657, VCI