RC-Wettbewerb 2023: Bayerischer Sieger ist die Roche Diagnostics GmbH!
14. Juli 2023Mitgliederversammlung 2023 – Änderungen im Vorstand
20. Juli 2023Mitgliederversammlung der Bayerischen Chemieverbände: Verbesserung der Standortbedingungen JETZT voranbringen – am Puls der wirtschaftspolitischen Debatte mit ifo-Chef Fuest
Am 14.07.2023 fand die gemeinsame Mitgliederversammlung des Vereins der Bayerischen Chemischen Industrie e.V. (VBCI) und des Verbands der Chemischen Industrie e.V., Landesverband Bayern (VCI-LV Bayern) in München statt. Dort haben die Mitgliedsfirmen turnusgemäß ihren Vorstand und die Gremien für die nächsten zwei Jahre gewählt. Prominenter Gastredner im öffentlichen Teil der Mitgliederversammlung war Prof. Dr. Dr. h.c. Clemens Fuest, Präsident des ifo Instituts, der am Puls der aktuellen wirtschaftspolitischen Debatte die Lage einordnete sowie in einer hochspannenden, aber auch kontroversen Diskussion die Frage eines Industriestrompreises mit dem Publikum erörterte. Im Rahmen der Mitgliederversammlung der Bayerischen Chemieverbände fand auch die Siegerehrung des diesjährigen Responsible-Care-Landeswettbewerbs 2023 statt.
Die Branche steht vor gewaltigen Herausforderungen – hohe Energiepreise, Chemikalienüberregulierung und uferlose Genehmigungsverfahren
Im Rahmen des öffentlichen Teils der Mitgliederversammlung ging der zuvor wiedergewählte Vorstandsvorsitzende der Bayerischen Chemieverbände, Dr. Christian Hartel, vor ca. 200 geladenen Gästen auf die derzeitigen Herausforderungen für die Chemie- und Pharmabranche ein. Neben einer zunehmend sehr schwierigen wirtschaftlichen Lage stehe der hiesige Industriestandort – und hier im Besonderen die energieintensive Industrie – vor gewaltigen strukturellen Herausforderungen. Die hohen Energie- und insbesondere Strompreise, aber auch Fehlentwicklungen im Bereich der Chemikalienregulierung, viel zu lange Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie immer weiter steigende Bürokratielasten schadeten der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und hemmten deren klimaneutrale Transformation. Um den Wirtschafts- und Chemiestandort Bayern zukunftssicher und wettbewerbsfähig aufzustellen, sei aus Sicht der Bayerischen Chemieverbände daher ein international wettbewerbsfähiger Strompreis in Form eines Industriestrompreises („Brückenstrompreis“) dringend erforderlich – nicht als Dauersubvention, sondern als Brücke, bis genügend günstiger regenerativer Strom zur Verfügung stehe. Wichtig sei zudem ein Umdenken beim EU-Chemikalienrecht. Die Abkehr von der weltweit etablierten und bewährten Risikobewertung hin zu einer pauschalen Stoffeigenschaftsbetrachtung sei ein Irrweg. Zudem sei die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren speziell bei Netzinfrastruktur und Industrieanlagen dringend nötig.
Im zweiten Teil seiner Rede hob der Vorstandsvorsitzende die überragende Bedeutung der chemisch-pharmazeutischen Industrie für die Entwicklung Deutschlands in Richtung Nachhaltigkeit hervor. Er zeigte an Beispielen auf, wie wichtig die chemische Industrie nicht nur für das gesamte produzierende Gewerbe sei (ca. 95% aller Industrieerzeugnisse benötigen Produkte aus der Chemie!), sondern vor allem auch für sehr viele Technologien, die Deutschland im Rahmen der Transformation nutzen will: Ohne Produkte und Innovationen aus der Chemie gibt es keine Windräder, keine Solarzellen, keine Lithiumionenbatterien, keine Computerchips und keine Wasserstoffwirtschaft, um nur ein paar Bereiche zu nennen. Dr. Hartel legte dar, dass die Transformation ohne die „Lösungsindustrie“ Chemie als zentraler Möglichmacher nicht möglich sei.
Pressemitteilung zur MV der Bayerischen Chemieverbände
Am Puls der wirtschaftspolitischen Debatte: Festredner Fuest mit gewohnt messerscharfer Analyse der politischen und wirtschaftlichen Lage
Der Festredender der diesjährigen Mitgliederversammlung, Prof. Dr. Dr. h.c. Clemens Fuest, Präsident des ifo Instituts, thematisierte in seinem Vortrag die aktuelle politische und wirtschaftliche Lage auch mit Blick auf deren Auswirkungen für die chemisch-pharmazeutische Industrie. In gewohnt präziser und scharfsinniger Analyse ordnete der Volkswirt dabei die kurzfristigen und eher verhaltenen Konjunkturaussichten sowie die mittelfristigen Perspektiven und damit auch die Diskussion um den Industriestandort Deutschland ein. Mit Blick auf die Kombination aus den Herausforderungen der aktuellen Krisen (u.a. die dauerhafte Verteuerung der Energie in Europa, Außenhandelsfriktionen, etc.) sowie bestehender struktureller Herausforderungen (u.a. demographischer Wandel, Rückgang des Fachkräfteangebots, Dekarbonisierung) sei aus Sicht von Fuest eine wirtschaftspolitische Strategie für die Stärkung der Angebotskräfte notwendig. Neben der Erhöhung des Arbeitsangebotes bedeute dies u.a. auch einen raschen Ausbau von Infrastruktur (Energienetze, Verkehrswege, Kommunikationsnetze) sowie die Angebotserhöhung im Bereich der Stromversorgung. Er plädierte für niedrigere Unternehmenssteuern und bessere Abschreibungsmöglichkeiten, um die Industrie in der Breite zu stärken. Angesichts des nicht immer glücklichen Regierungshandelns gerade in den vergangenen Monaten äußerte Fuest zudem den Wunsch: „Keinen Schaden anrichten wäre manchmal schon hilfreich!“
Hochspannende, aber auch kontroverse Diskussion rundete den öffentlichen Teil ab
Die energiepolitischen Rahmenbedingungen standen im Anschluss auch im Fokus einer hochspannenden, aber auch kontrovers geführten Diskussion des Festredners mit dem interessierten Publikum. Einigkeit bestand dabei in der Kritik an absoluten Energieeinsparzielen im Rahmen des Energieeffizienzgesetzes, die zu einer regelrechten Wachstumsbremse für den Wirtschaftsstandort Deutschland führen würden und andererseits keine positiven Effekte mit sich brächten.
Die energiepolitischen Rahmenbedingungen standen im Anschluss auch im Fokus einer hochspannenden aber auch kontrovers geführten Diskussion des Festredners mit dem interessierten Publikum. Einigkeit bestand dabei in der Kritik an absoluten Energieeinsparzielen im Rahmen des Energieeffizienzgesetzes, die zu einer regelrechten Wachstumsbremse für den Wirtschaftsstandort Deutschland führen würden und andererseits keine positiven Effekte mit sich brächten.
Die energieintensive Chemiebranche sieht einen „Brückenstrompreis“, also einen staatlich gedeckelten Industriestrompreis „auf Zeit“, als wichtiges Instrument zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit, bis genügend günstiger regenerativer Strom zur Verfügung steht. Hier brauche es dringend kurzfristig wirksame Maßnahmen. Neben der Stärkung der Resilienz der deutschen Wirtschaft führe der Erhalt von energieintensiver Wertschöpfung im Land durch wettbewerbsfähige Strompreise auch zu einem positiven Effekt in Bezug auf Arbeitsplätze, Steueraufkommen und Sozialabgaben, der vermutlich die Kosten für die Strompreislimitierung weit überkompensieren würde. Ein zeitlich begrenzter Industriestrompreis – der zeitnah kommen muss – stellt aus Sicht der Branche eine lohnende Investition und einen echten Business Case für den deutschen Staat dar.
Anstelle der Einführung eines Brückenstrompreises, wobei nicht klar sei, wo die Brücke hinführe, bevorzugt der Volkswirtschaftler Fuest hingegen alternative Maßnahmen wie eine Stärkung des Energieangebots – insbesondere beim Strom – und Bürokratieabbau sowie vor allem auch Steuerentlastungen für die gesamte Industrie. Gerade bei der Unternehmensbesteuerung habe Deutschland in den letzten Jahren sehr an Attraktivität für Unternehmen verloren. Dass hier nachgebessert werden sollte, sahen alle Diskutanten so.
Auch wenn im Rahmen der Diskussion in Teilen unterschiedliche Ansichten insbesondere mit Blick auf den Industriestrompreis zutage getreten sind, ist gerade diese lebhafte und kontrovers geführte Aussprache von großem Wert. Denn nur so können Argumente geschärft werden und damit die brandaktuelle Debatte zu diesem wichtigen Thema, bei dem sich derzeit ein regelrechter Gelehrtenstreit abzeichnet, weitergebracht werden. Hierfür hat die diesjährige Mitgliederversammlung der Bayerischen Chemieverbände mit Sicherheit einen wichtigen Impuls geleistet. Nochmals untermauert wird die Forderung und Argumentation für die Einführung eines zeitlich begrenzten Industriestrompreises auch durch eine jüngst veröffentlichte Studie zu Strompreisprognosen der Prognos AG im Auftrag der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw). In diesem Sinne werden sich die Bayerischen Chemieverbände auch weiterhin mit aller Kraft für einen Industriestrompreis als Brücke einsetzen – für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der energieintensiven Industrie, für eine erfolgreiche klimaneutrale Transformation und im Sinne eines fiskalischen Business Case für den deutschen Staat. Denn ohne die Chemie wird die Transformation nicht gelingen!
Bayerische Responsible-Care-Sieger geehrt – alle eingereichten Projekte sind ein Gewinn
Im Rahmen des Öffentlichen Teils fand auch die Siegerehrung des Responsible-Care-Landeswettbewerbs 2023 unter dem Motto „Unser nachhaltiger und sparsamer Umgang mit Energie“ statt. Als Gesamtsieger wurde die Roche Diagnostics GmbH mit dem Projekt „COHP-Niedertemperatur-Warmwasser-System Penzberg“ ausgezeichnet. Sieger der Kategorie „Mittelstand“ wurde die Rudolf GmbH mit ihrem Beitrag „Hochleistungs-Energiepfähle zur energieeffizienten Bereitstellung von Kühlwasser“. Beide Projekte treten nun als bayerische Einreichungen im Responsible-Care-Wettbewerb auf Bundesebene an. Geehrt wurden aber nicht nur die Siegerprojekte: Alle Einreichungen erhielten eine Urkunde mit Trophäe inklusive eines wertschätzenden Statements der Jury. Denn eines ist klar: Auch wenn es nur je einen Gesamtsieger und Mittelstandssieger geben kann – alle Projekte sind schon jetzt ein Gewinn! Denn sie zeigen auf unterschiedlichste Weise, wie die Branche nachhaltig und sparsam mit Energie umgeht (mehr dazu hier).
Wettbewerbsfähige Stromversorgung und Diskussionen zum Industriestrompreis dominieren die Debatte im internen Teil der Mitgliederversammlung
Vor dem öffentlichen Teil fand der interne Teil der Mitgliederversammlung der Bayerischen Chemieverbände statt. Auch dieses Jahr wurde mit einem umfassenden Blick auf die aktuellen Herausforderungen der Branche und mit Berichten zu den wichtigsten Bereichen der Verbandsarbeit eröffnet. Vorstandsvorsitzender Dr. Christian Hartel dankte hierbei den Mitgliedern für das entgegengebrachte Vertrauen und vor allem für die bisherige vertrauensvolle Zusammenarbeit. In seiner anschließenden Rede vor den Vertretern der Mitgliedsunternehmen verwies Dr. Hartel auf die umfassenden Herausforderungen für die Branche in einer aktuell schwierigen wirtschaftlichen Lage sowie im Kontext der derzeitigen Wirtschaftspolitik in Deutschland und Europa. Aktuell werde die Debatte um eine wettbewerbsfähige Stromversorgung sowie einen dafür aus Sicht der energieintensiven Industrie dringend nötigen Industriestrompreis dominiert. Dabei betonte Dr. Hartel, dass die Politik die Rahmenbedingungen für die Industrie dringend verbessern müsse, um eine Deindustrialisierung zu verhindern. Er betonte zudem die wichtige Rolle der chemisch-pharmazeutischen Industrie als #Lösungsindustrie und Enabler für die großen gesellschaftlichen Herausforderungen wie Klimaneutralität, Kreislaufwirtschaft oder Gesundheitsschutz.
Die industriepolitischen Herausforderungen umfassen ein weites Spektrum – ein starkes Verbändenetzwerk ist wichtiger denn je
Vor Eintritt in die Regularien erstattete der Hauptgeschäftsführer der Bayerischen Chemieverbände, Walter Vogg, seinen Bericht der Geschäftsführung. Er spannte dabei einen Bogen vom vielfältigen Dienstleistungsangebot der Verbände über die Tarif-, Sozial- und Gesundheitspolitik bis hin zu den energie- und umweltpolitischen Herausforderungen. Die wirtschaftspolitischen Schwerpunkte der Verbandsarbeit liegen nach den Erläuterungen der Hauptgeschäftsführung vor allem in drei Hauptfeldern: sichere Energieversorgung mit der notwendigen Infrastruktur zu international wettbewerbsfähigen Preisen (inkl. Transformationsstrompreis als zeitliche Brücke), eine Chemikalienregulierung mit Augenmaß verbunden mit einem Belastungsmoratorium sowie eine Beschleunigung der Genehmigungsprozesse auch für die Transformation von Produktionsanlagen. Die wichtigsten Positionen und Aktivitäten der Bayerischen Chemieverbände sind auch im aktuellen Jahresbericht zu finden.
Dr. Christian Hartel als Vorstandsvorsitzender wiedergewählt – Branche demonstriert Geschlossenheit
Anschließend erfolgte die Wahl des Vorstands. Dabei bestätigte die Mitgliederversammlung Dr. Christian Hartel einstimmig als Vorstandsvorsitzenden für die neue Amtsperiode 2023/2025. Neu in den Vorstand wurde Dr. Andreas Hirschfelder von der LEONHARD KURZ Stiftung & Co. KG gewählt. Peter Kurz – ebenfalls LEONHARD KURZ Stiftung & Co. KG – wurde nach 20-jähriger Mitgliedschaft im Vorstand und im Tarifpolitischen Ausschuss mit den gebührenden Ehren verabschiedet.
In gleicher Geschlossenheit fanden die Wahlen der Gremien der Bayerischen Chemieverbände statt. Mehr Informationen erhalten Sie hier.
Bildquelle: Bayerische Chemieverbände, Foto Winkler