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2. Oktober 2025PFAS: Lost in Complexity
Warum das ECHA-Update kein Befreiungsschlag ist
Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) hat mitten in der Sommerpause ein Update zum geplanten universellen PFAS-Verbot im Rahmen der REACH-Verordnung veröffentlicht. Wer auf mehr Klarheit gehofft hatte, wurde enttäuscht. Der „Boil-the-Ocean“-Ansatz – alles auf einmal regeln – zeigt erneut seine Grenzen. Nur werden bislang daraus nicht die nötigen Konsequenzen gezogen.
Seit fast zwei Jahren arbeiten sich die Ausschüsse der ECHA durch über 5.600 Kommentare der öffentlichen Konsultation. Einige wurden berücksichtigt, etwa zu Rezyklaten polymerer PFAS oder erweiterten Ausnahmen. Doch das Grundproblem bleibt: Die Komplexität des Dossiers wächst und nähert sich der eines Waschmaschinen-Schaltplans.
Komplexität als Risiko
Wer soll das eigentlich korrekt vollziehen? Geht diese Komplexität nicht zulasten der Qualität der Bewertung? Und wie soll das wirtschaftlich planbar sein?
Ein Beispiel: Eine unbegrenzte Ausnahme für die Produktion polymerer PFAS wie Fluorpolymere unter strengen Emissionsauflagen ist ein guter Schritt. Aber wenn die Anwendungen dieser Materialien sukzessive planwirtschaftlich verboten werden, bleibt doch keine betriebswirtschaftliche Perspektive – obwohl Fluorpolymere als solche kein „inakzeptables Risiko“ darstellen.
Das ist die Krux, wenn undifferenzierte Totalverbote anhand einer Strukturdefinition (= riesige Stoffgruppe) mit einem Ausnahmendschungel auf komplexe Wertschöpfungsketten treffen. Das Update ist kein Befreiungsschlag – und keine Grundlage für Investitionen.
Strategie statt planwirtschaftlicher Verbotslogik
Ja, PFAS brauchen Regulierung. Aber warum alles über einen Kamm scheren? Warum nicht zuerst Anwendungen mit hohem Emissionspotenzial angehen? Warum Fluorpolymere nicht differenziert regulieren, da sie ein völlig anderes Risikoprofil haben?
Ein Blick „out of the box“ zeigt, wie wichtig eine strategischere Herangehensweise wäre: Das US-Verteidigungsministerium stuft PFAS in ihrer gesamten Lieferkette als kritisch für die nationale Sicherheit ein – auch wegen ihrer zivil-militärischen Relevanz. Ohne heimische Hersteller droht Abhängigkeit von China – gerade bei Halbleitern, Batterien und Energietechnik.
“PFAS are critical […], not because they are used exclusively in military applications (although some are), but also because of the civil-military commonality and the potentially broad impact to the civilian marketplace. There is a need to ensure that the dwindling number of domestic PFAS manufacturers remain able to and capable of providing PFAS critical to national security, including those producing the feedstock minerals (fluorspar and possibly others) and chemicals and all the intermediate chemicals leading to the manufacture of fluoropolymers, fluorinated gases, and other critical fluorochemicals broadly defined as PFAS. Otherwise, sourcing of mission critical PFAS may come from China and other foreign entities of concern, defeating the purpose of establishing domestic supply chains for key sectors such as semiconductors, batteries, and energetics.”
Was Europa jetzt braucht
Es wäre Zeit, diese strategische Perspektive mit Lieferkettenverständnis auch in der EU-Diskussion einzunehmen. Stattdessen dominiert weiter ein verbotsgetriebener Ansatz, der allein an der Komplexität zu scheitern droht, die Resilienz bei kritischen Hightech-Materialen gefährdet und unsere Industrie weiter massiv mit Bürokratie überschüttet und schwächt. Wir müssen Umwelt- und Industriepolitik endlich smarter, einfacher und effektiver miteinander verbinden.
Ein aktuelles Positionspapier des BDI fasst den Sachstand und die Haltung der deutschen Industrie zur umfassenden REACH-PFAS-Beschränkung zusammen – und zeigt mögliche Lösungsansätze auf.
Bildquelle: KI generiert