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29. November 2022EU-Gericht: Titandioxid zu unrecht eingestuft
Am 23.11.2022 wurde ein wichtiges Gerichtsurteil im Kontext des europäischen Chemikalienrechtes bekannt: Die 2019 qua „Delegierten Rechtsakt“ der EU-Kommission verfügte Einstufung von Titandioxid „als vermutlich krebserzeugend beim Einatmen“ wurde für nichtig erklärt.
Das Gericht hat dabei Klagen von betroffenen Unternehmen stattgegeben – und bereits im Rahmen des Einstufungsverfahrens eingebrachte Sachargumente bestätigt.
Ein wichtiges Signal für eine Versachlichung und wissenschaftlich fundierte Regulierungsantescheidungen im Chemikalienrecht!
Die Pressemitteilung des Europäischen Gerichtes bringt das Ergebnis eines langjährigen Streits nun nüchtern auf den Punkt:
„Das Gericht erklärt die Delegierte Verordnung der Kommission aus dem Jahr 2019 für nichtig, soweit sie die harmonisierte Einstufung und Kennzeichnung von Titandioxid in bestimmten Pulverformen als karzinogener Stoff bei Einatmen betrifft.“
Damit endet (vorläufig) eine regulatorische Odyssee mit einer wichtigen Grundsatzentscheidung. Neben der mangelnden Verlässlichkeit einer herangezogenen Studie stellt das Gericht fest, dass die seitens der EU-Kommission durchgesetzte Einstufung nicht auf intrinsischen Eigenschaften beruht und dies dahingehend nicht im Einklang mit den Grundsätzen der CLP-Verordnung steht.
Diese Argumente hatten Industrieverbände (u.a. VCI, VdL und VdMi wie auch die Bayerischen Chemieverbände) bereits im Rahmen des CLH-Einstufungsverfahrens vehement vorgebracht. Nun musste hierüber schließlich das Europäische Gericht entscheiden, nachdem betroffene Unternehmen gegen die Einstufung geklagt hatten.
Insbesondere die Ausführungen des EuG zu den intrinsischen Eigenschaften von Stoffen und den Anforderungen hinsichtlich des wissenschaftlichen Nachweises von Gefahren – wonach sich die Einstufung eines Stoffes als karzinogen nur auf einen Stoff mit der intrinsischen Eigenschaft, Krebs zu erzeugen, beziehen darf – bestätigt nun die Rechtsansicht der einschlägigen Branchenverbände. Diese hatten im Übrigen statt einer Gefahrstoffeinstufung die Harmonisierung von europäischen Staubgrenzwerten gefordert, um möglichen Staubexpositionsrisken angemessen Rechnung zu tragen.
Das Urteil dürfte mit Blick auf zukünftige harmonisierte Gefahrstoffeinstufungen und die angemessene Bewertung von nicht-stoffspezifischen Partikeleigenschaften auch über den „Fall Titandioxid“ hinaus Signalcharakter haben.
Jedenfalls ist die Entscheidung ein wichtiges Signal für eine Versachlichung der Debatte und für wissenschaftlich fundierte Regulierungsentscheidungen im Chemikalienrecht.
Zur ausführlichen Dokumentation des Verfahrens (Klage/Beschluss/Zusammenfassung/Urteil)
Bildquelle: iStock-957298374, iStock-876409814, eigene Collage