Bayerischer Pharmagipfel 2023 – unter Berliner Himmel auf bayerischem Boden
21. April 2023Brücke in die Zukunft
3. Mai 2023Bayernplan Energie 2040: Gewaltig Gas geben!
Anfang des Jahres ist das neue Bayerische Klimaschutzgesetz in Kraft getreten. Danach soll Bayern bis spätestens 2040 klimaneutral sein. Der Freistaat will dieses Ziel damit fünf Jahre schneller als der Bund und sogar zehn Jahre früher als die EU erreichen.
In diesem Kontext wurde vor kurzem die Studie „Bayernplan Energie 2040″ (KNBY 2040) der Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FfE) vorgestellt, die in vier Szenarien über alle Sektoren hinweg untersucht hat, wie der Weg zu einem klimaneutralen Freistaat bis 2040 aussehen kann.
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass eine Klimaneutralität bis 2040 grundsätzlich möglich ist, es aber einer nie dagewesenen gesamtgesellschaftlichen Anstrengung bedarf, um dieses Ziel zu erreichen. Es müssen alle verfügbaren klimaneutralen Technologien zum Einsatz kommen und auch weiterhin Energie importiert werden. Es sind enorme finanzielle Aufwendungen und ein massiver Um- und Ausbau der Energieinfrastruktur dafür notwendig. Und das in einem gigantischen Tempo!
Die Studie KNBY 2040 wurde von der Dienstleistungsgesellschaft mbH des Verbandes der Bayerischen Energie und Wasserwirtschaft (VBEW) in Kooperation mit der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) sowie der Prognos AG (als Reviewer) in Auftrag gegeben. Die Bayerischen Chemieverbände und einige Mitgliedsunternehmen waren über Stakeholder-Dialoge ebenfalls an der Erstellung beteiligt und haben hier insbesondere die Sichtweise (energieintensiver) industrieller Verbraucher einfließen lassen.
Die vier betrachteten Szenarien gehen dabei von unterschiedlichen Grundannahmen aus:
- Szenario E.plan „Günstige Bedingungen für Strom“
- Szenario H2igher „Günstige Bedingungen für Wasserstoff„
- Szenario AgreE „Suffizienteres Verhalten„
- Szenario bEElated (Hemmnisse verzögern die Transformation) „Günstige Bedingungen für Moleküle„
Endenergiebedarf sinkt in allen vier Szenarien – Strom, H2 und Biomasse werden die Energieträger der Zukunft
In allen betrachteten Szenarien sinkt der klassische Endenergiebedarf bis 2040 erheblich. Hintergrund sind hier die Umsetzung klassischer Effizienz- und direkter Elektrifizierungsmaßnahmen mit höherer primärenergetischer Effizienz. Während Bayern im Zeitverlauf zunehmend weniger auf fossile Energieträger angewiesen ist, steigt der Import von Strom auf bis zu 57 TWh/Jahr an. Dies entspricht über zwei Drittel des heutigen jährlichen Strombedarfs.
Verdreifachung des Bruttostromverbrauchs möglich – je nach Herkunft petrochemischer Rohstoffe und stofflicher Energieträger
Grundlegendes haben alle der betrachteten Szenarien gemeinsam: Strom entwickelt sich zum Hauptenergieträger, Wasserstoff kommt als Rohstoff und Energieträger zum Einsatz und wird verstärkt in allen Endenergiesektoren ab 2030 Einsatz finden. In der Zusammenfassung gehen die Studiennehmer über alle Sektoren hinweg von bis zu einer Verdreifachung des Bruttostromverbrauchs aus (von 85 TWh in 2019 auf bis zu 157-256 TWh in 2040), der Wasserstoffbedarf steigt in 2040 auf 18-78 TWh (siehe u.s. Grafik). Die Schwankungsbreite dieser Zahlen ergibt sich zum einen aus den Szenariounterschieden (u.a. dem Elektrifizierungsgrat) aber auch dahingehend, inwieweit die stoffliche Verwendung (i.e. strom- und/oder wasserstoffbasierte Produktion von stofflichen Energieträgern (synthetisches Kerosin) sowie petrochemischen Rohstoffen („grünes“ Methanol oder Naphta)) in Bayern erfolgen oder zukünftig durch Importe abgedeckt wird.
Kumulierte Mehrinvestitionen in der Industrie liegen zwischen 6 und 9 Mrd. EUR
Die Studie trifft auch Aussagen zu den Kosten. So liegen danach die gesamten annuitätischen Mehrinvestitionen je nach Szenario zwischen 6 und 9 Mrd. €. Je nach Szenario liegt der Anteil der bayerischen Mehrkosten an denen der gesamten deutschen Industrie bei 9 bis 13 %. Grund für den verhältnismäßig geringen Anteil der Kosten ist, dass die energieintensive Industrie in Bayern einen geringeren Anteil am EEV ausmacht als im bundesdeutschen Durchschnitt (z.B. keine Primärstahl- und Ammoniakherstellung in Bayern). Für Bayern entsprechen die Mehrkosten etwa der Hälfte bis zwei Dritteln der getätigten Investitionen des bayerischen verarbeiten- den Gewerbes im Jahr 2021 von ~13 Mrd. EUR. Bei der Interpretation der Mehrkosten gilt es zu berücksichtigen, dass diese für Industriebetriebe, die im globalen Wettbewerb stehen, die Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen können. Regulatorische Maßnahmen und Finanzierungsanreize sind deshalb für eine Transformation hin zu einer klimaneutralen Industrie unumgänglich, um anfallende Mehrkosten (CAPEX und OPEX) abzufedern. In diesem Kontext fordern die Bayerischen Chemieverbände seit vielen Jahren die Einführung eines Industriestrompreises als Transformationsbrücke.
Landkreisscharfe Kennzahlen für die Klimaneutralität
Das besondere an der Studie ist, dass hierbei nicht nur aggregierte Projektionen über ganz Bayern aufgezeigt werden (z.B. für den zu erwartenden Endenergiebedarf aufgeschlüsselt nach Energieträgern oder nach Sektoren), sondern auch landkreisscharf mit wichtigen Kennzahlen aufschlüsselt wird, was in jeder Region für die Klimaneutralität zu leisten ist (z.B. zu installierende PV-Anlagen, Windkraftanlagen, etc.). Details hierzu können auf der Internetseite https://bayernplan-energie.ffe.de eingesehen werden. Hier ist auch eine erste Zusammenfassung der Studie sowie die Abschlusspräsentation sowie auch der Abschlussbericht zu finden.
Bei all diesen umfangreichen Zahlen, Daten und Fakten sollte eines klar sein: Ein klimaneutrales Bayern ist technisch möglich – bedarf aber einer massiven gesamtgesellschaftlichen Anstrengung wobei alle Akteure an einem Strang ziehen und gute Rahmenbedingungen schaffen.
Und die Umsetzung muss JETZT beginnen!
Bildquelle: Forschungsstelle für Energiewirtschaft e. V. (FfE)